Renate Bernhard-Koppenberger, Schwabmünchen

„Geschichte, Altertum, Geschichten aus der Geschichte, Mythologie zum Beispiel – das war schon immer meine Lektüre, sobald ich Lesen konnte. In der Schule habe ich schnell Latein und Geschichte als meine Lieblingsfächer erkoren. Ich habe dann auch beschlossen, Latein zu studieren, dabei noch Griechisch für mich entdeckt und neben Philosophie mitstudiert. Die Antike und die Geschichte waren somit meine ständigen Begleiter. Über meinen Mann bin ich dann zur Experimentalarchäologie gekommen. Dabei geht es darum, Erkenntnisse, die aus archäologischen Funden gewonnen werden können, im Experiment auszuprobieren. Wir sehen etwa ein Mosaik von einer Dame in einem Gewand und überlegen uns, wie ist dieses Gewand geschnitten, wie viel Stoff brauche ich dafür, wie sind die Säume gemacht etc. Dann forscht man weiter: Wo gibt es ähnliche Abbildungen? Das bringt man dann alles zusammen und daraus rekonstruiert man dann wirklich ein Gewand. Man beschafft sich die Materialien – Leinen, Seide, Wolle, Baumwolle, Perlen, Steine – und näht, stickt und hofft, dass man in etwa das trifft, was in der Antike der Fall gewesen sein könnte. Das macht man nicht nur mit Gewändern, sondern das geht von der Rüstung bis zum Trinkbecher. Wir haben zuhause römisches Geschirr, einen römischen Ofen, wir probieren römische Rezepte aus – die komplette Lebenswelt also. Am Anfang steht für mich immer die Neugier, die einen beseelt, wenn man bestimmte Dinge herausfinden möchte, z. B. wie schmeckt eigentlich das, wovon die antiken Autoren schreiben. Oder wir haben ja auch antike Kochbücher, von denen Überlieferungen da sind. Man fragt sich etwa, kann man jetzt wirklich Fleisch mit getrockneten Aprikosen und Bohnenkraut kombinieren? Dann probiert man das aus. Und es gibt keine Mengenangaben bei römischen Köchen, man muss da wirklich austesten, wie die Proportionen von Gewürzen, Aromen und so sind. Wenn man das dann herausfindet, dann ist das toll. Da stehen natürlich oft Misserfolg und Erfolg nebeneinander und dann fängt man nochmal an. Auch bei den Kleidern: Es kommt natürlich auch vor, dass man mal ein Kleid verschneidet. Das ist bei römischen Kleidern nicht so gravierend, weil die nicht auf Passform geschnitten sind, aber Renaissance-Kleider, die müssen eben ganz genau passen. Ein falscher Schnitt und dann ist das Gewand verdorben. Wenn man klug ist, nimmt man deshalb vorher ein altes Betttuch und probiert den Schnitt aus, denn es muss halt passen. Am Anfang ist also die Neugier, danach steht die Tätigkeit, das Ausprobieren, sich Durchwursteln. Es ist ja immer Neuland. Ich würde nie ein Gewand zweimal machen, weil dann dieser Aspekt des Herausfindens verpufft ist. Die Beschäftigung und das Eintauchen in diese Zeit ist dann die Freude für mich während des Rekonstruierens. Ich bin auch in einem Verein, Raetici Romani, aktiv – wir sind eigentlich ein Freundeskreis, der sich mittlerweile zu einem Verein zusammengeschlossen hat. Wir haben diesen Namen gewählt, weil wir sowohl Römisches als auch Sachen aus der ehemaligen Provinz Rätien, also hier aus der Region, zeigen: Geschichte und Gewänder und auch römisches Kochen, Weihezeremonien, Religion, eine ganze Bandbreite an Dingen. Wir machen das alles unter dem Aspekt der wissenschaftlichen Konstruktion, es ist keine Show. Wir zeigen Dinge, die wir rekonstruieren und wir können den Hintergrund dazu erklären. Das ist immer spannend, sich mit genau einer Zeit, mit genau einer Person aus dieser Zeit zu beschäftigen. Die römische Antike umfasst knapp 1000 Jahre, da ist also ganz viel tolle Geschichte.“