Carola McLaren, Diedorf-Lettenbach

„Ich hatte eine Adresse von einer Freundin und ehemaligen Krankenschwestern-Kollegin, die vor mir aus der DDR geflüchtet war. Und man muss sagen, kurz vor Maueröffnung begann sich etwas in der DDR zu bewegen, da war das Thema Reform unter der Hand ganz groß. Da wurden plötzlich einige Reisen gen Westen genehmigt, wenn die Leute Familie dort hatten. Ich hatte keine nahen Verwandten da und bekam die Genehmigung nicht. Ich hatte aber gehört, dass die Grenze in Ungarn geöffnet sei und es möglich wäre, über diese Grenze auszureisen. Natürlich musste man da auch vorsichtig sein, was man hört und weitergibt. Ich war damals 26 Jahre alt und habe kurzerhand ein Visum für einen Ungarn-Urlaub beantragt. Denn ich habe eine Cousine, die lebt da. Meiner Familie habe ich nur durch die Blume gesagt, dass ich flüchte, das ging ja nicht anders. Packen konnte ich nur für zwei Wochen – es war ja offiziell ein zweiwöchiger Ungarn-Urlaub. Die Adresse in Augsburg, die habe ich mir dann in ein Buch – so ein bisschen verschlüsselt und auf mehrere Seiten verteilt – aufgeschrieben. Als ich dann in Budapest aus dem Zug gestiegen bin, wusste ich, ich muss mich jetzt für eine Richtung entscheiden. Das war unheimlich schwer: Geh ich rechts oder links? Das hat mich innerlich zerrissen und bewegt mich jetzt noch sehr, wenn ich daran denke. Ich war ja allein und ich wusste, ich kann da nicht zurück! Aber es war auch diese Energie in mir, die man nicht immer hat, und ich wusste, ich muss diese Chance jetzt nutzen. Natürlich war das zu diesem Zeitpunkt keine gefährliche Flucht – da hatten es viele vor mir viel schwerer gehabt. Jedenfalls weiß ich auch noch ganz genau, wie ich über die Grenze geschritten bin. Das war in Österreich und da mussten wir ein Stück zu Fuß laufen: Da hab‘ ich ganz bewusst einen großen Schritt gemacht und dann war ich drüber. Auch kurz nach der Wende, da wollt ich immer über Grenzen fahren – nicht weit, nur nach Österreich oder ins Elsass – und es überkommt mich auch heute noch ein großes Gefühl der Dankbarkeit, wenn ich über Ländergrenzen fahre. Das Reisen ist für mich ganz toll. Wenn ich nochmal jung wäre, dann würde ich gerne ein Jahr lang in einem anderen Land leben und deren Sprache lernen – ich finde das schön, wenn junge Menschen heute davon so unbeschwert und selbstverständlich erzählen, bei mir ging das damals eben nicht. Ich erinnere mich noch, dass ich damals in der DDR einmal Urlaub an der Ostsee gemacht habe und da gab es den Übergang zur Fähre nach Schweden, wo eben Touristen aus dem Ausland einfach durchgehen konnten, aber ich durfte das nicht, wir aus der DDR durften einfach nicht weiter. Das hat mich schon stark geprägt, denn ich war jung, ich hatte diesen Sturm und Drang nach Freiheit, auch Meinungsfreiheit, und wollte die Welt sehen. Einfach die ganzen Möglichkeiten zu haben und bewusst Entscheidungen treffen zu dürfen für sich und seine Zukunft, das war für mich nicht selbstverständlich. Das hab‘ ich die letzten Jahre ein bisschen nachholen können, meine Träume und Wünsche zu erfüllen. Beruflich hab‘ ich mir vor gut zehn Jahren einen Traum erfüllt und eine Weiterbildung als Heilpraktikerin für den Bereich Psychotherapie gemacht. Mich hatten Psychologie und die therapeutischen Möglichkeiten immer schon interessiert. Studieren war ja auch etwas, was in der DDR nicht jeder durfte. Ich habe davor viele Jahre als Krankenschwester in Kliniken gearbeitet. Mittlerweile habe ich eine Praxis, engagiere mich beim Krisendienst Schwaben und bin beim Dominikus-Ringeisen-Werk beschäftigt. Ich liebe es, Menschen zu helfen, sie zu begleiten und zu unterstützen. Das ist wirklich wichtig und schön für mich.“